heraus, nicht in der Lage, aggressives Verhalten zu verursachen. Sie beeinflussen aber die Empfindlichkeit der Schmerzgrenze und können â allerdings nur im Zusammenspiel mit Aggression provozierenden Faktoren â die aggressive Reaktionsbereitschaft verändern. Psychopathen repräsentieren in keiner Weise einen »Prototyp« menschlicher Aggression, sondern sind Kranke, die markante neurobiologische Abweichungen aufweisen. Die Gemeinschaft muss vor ihnen geschützt werden.
Gewalttätigkeit ist kein Mysterium, vor dem wir andächtig oder fatalistisch verweilen sollten. Aggressives Verhalten folgt immer Regeln. Aggression ist kein spontan auftretendes menschliches Grundbedürfnis, ein »Aggressionstrieb« existiert nicht. Insofern ist der UNESCO-Erklärung von Sevilla 362 (Titel: »Gewalt ist kein Naturgesetz«) aus neurobiologischer Sicht voll zuzustimmen (»Wissenschaftlich nicht haltbar ist die Annahme, Krieg oder anderes gewalttätiges Verhalten sei beim Menschen genetisch vorprogrammiert. ⦠Wissenschaftlich nicht haltbar ist die Annahme, Krieg sei verursacht durch einen âºTriebâ¹ oder âºInstinktâ¹Â«).
Perspektiven des Alltags
Soziale Ausgrenzungen und Demütigungen ereignen sich in der Familie, in Kindergarten und Schule sowie im beruflichen Alltag. Die Austragung von Konflikten ist in allen drei Lebensbereichen nicht nur unausweichlich, sondern ein absolutes Erfordernis. Nicht erforderlich ist jedoch, dies mit Demütigungen zu verbinden, die ein gefährlicher Auslöser für Gewalt sein können. Wir sollten uns daher eine grundsätzliche Achtsamkeit zu eigen machen und auf entwürdigendes Verhalten verzichten. Dies gilt vor allem dann, wenn wir eine Konfrontation durchzustehen haben.
Viele Familien sind, ohne sich dessen bewusst zu sein und ohne dies zu wollen, Brutstätten für eine spätere Gewaltbereitschaft der in ihnen lebenden Kinder. Kinder, die keine zuverlässigen Bindungen zu ihren Bezugspersonen haben, um die sich kaum jemand kümmert und für die niemand Zeit hat, leben im Zustand der Ausgrenzung. Eine geradezu erdrückende
wissenschaftliche Datenlage zeigt, dass vernachlässigte oder von Gewalterfahrung betroffene Kinder in späteren Jahren eine massiv erhöhte Gewaltbereitschaft zeigen und ein massiv erhöhtes Risiko haben, kriminell zu werden. Zur guten Erziehung eines Kindes gehören liebevolle Zuwendung, klare Regeln und das gemeinsame Einüben, dass Bedürfnisbefriedigung aufgeschoben und Frustrationen ertragen werden können 363 .
Auch Kindergärten und Schulen sind Orte, in denen Spielarten von Ausgrenzungen und Demütigungen stattfinden. Dies betrifft vor allem den Umgang der Kinder untereinander und zeigt sich in einem Spektrum zwischen entwürdigenden Hänseleien bis hin zum Cyber-Mobbing. Auch Kindergärten und Schulen sind Orte, wo Konflikte fair ausgetragen werden müssen. Es ist jedoch eine bisher zu wenig wahrgenommene Aufgabe von Eltern und von Pädagogen, gemeinsam (!) darauf zu dringen, dass dies fair und ohne Ausgrenzungen und Demütigungen passiert. Eine diesbezügliche Achtsamkeit ist die beste Prävention gegen Gewalt (einschlieÃlich Amokläufen).
Wie in Familie und Ausbildungseinrichtungen, so sollte die soziale Akzeptanz auch am Arbeitsplatz einen hohen Stellenwert haben. Hier sind vor allem Vorgesetzte und Führungskräfte gefordert. Sie sollten darauf verzichten, in den von ihnen geführten Teams Spaltungen zu erzeugen. Insbesondere die Ausgrenzung Einzelner durch Mobbing sollte ge-ächtet sein. Wer innerhalb eines Teams definitiv nicht tragbar ist, sollte ohne Demütigung veranlasst werden, auszuscheiden. Eine wichtige Hilfe für die Herstellung und Bewahrung einer kollegialen Beziehungskultur am Arbeitsplatz sind regelmäÃige Supervisionen.
Zu den wichtigen Funktionen der Aggression gehört die Verteidigung von